Begegnungen
Von missglückten Begegnungen … spricht man lieber nicht.
Zufällige Begegnungen, glücklich verlaufen, voll Verständnis und Einklang, die mit der Zeit eine Freundschaft entstehen lassen
und mit Glück sogar Liebesbeziehungen, von kurzer oder langer Dauer, oberflächlich, tief, echte Glücksgefühle, Enttäuschungen,
letztlich den wechselnden Kurs des Lebens, wohin der Wind auch wehen mag, das Schicksal, die Sterne, sich abzweigende Wege,
das und Einiges mehr.
Bevor ich etliche Seiten ausfülle mit Namen und Umständen von unzähligen Begegnungen und bedeutenden Bekanntschaften,
die ich einst gemacht habe oder heute noch pflege, beschränke ich mich auf einige.
Interview … im Vorbeigehen!
Heidelberg. Ein herrlicher Frühlingstag. Ungewöhnlich großzügig lässt sich die Sonne gnädig herab. Mäßig, versteht sich.
Wir sind nicht in den Tropen.
Ohne einen besonderen Plan für heute, meinen freien Tag, überlegte ich mir gerade, was ich am besten unternehmen könnte, um die Freizeit zu genießen: bei diesem faulen, lauwarmen Sonnenschein, nicht ganz entschlossen in vollem
Glanz zu erscheinen, um uns bei dieser lebenswichtigen Entscheidung zu helfen, werde ich doch zum Schlossgarten hinauflaufen und mir dort eine nette kühle Blonde zur Brust nehmen. Schlossquell!
Vielleicht inspiriert mich das, und ich kritzle mir ein paar Sätze, die zu andern führen könnten und von da an …
Auf der Hauptstraße, die meine Schritte nun schon seit ein paar Jährchen kennt, gut gelebte Jahre, an die ich mich
dankbar gern erinnere, ging ich ruhig und vergnügt, in Gedanken verloren, zum altvertrauten Weg, der zum Schloss hochführt und den ich so gern benutze, dort, direkt hinter der Bergbahnstation, als …
direkt vor dem steifen, ernst blickenden Dr. Bunsen in seiner bronzenen patinabedeckten Kleidung, sich mir im Weg stellt, zwischen freundlich und frech, breit lächelnd, eine auffallende Blondine, modische wilde Frisur, Jeansminirock, ein schillerndes orange T-shirt mit Silberblumen und Gothic-Motiven, Hängetasche aus Nappa und Plastik, Notizbuch in der Hand … sie hält direkt vor mir und sagt Entschuldigung, Sie kennen mich nicht, aber ich weiß, wer Sie sind und, wenn ich darf, möchte ich Ihnen ein paar Fragen stellen für unsere Stunde Simultanübersetzung, nur zehn Minuten oder so. Ist das möglich?
Zehn Minuten oder so!
Ich blickte auf die Blondine, blickte auf die Uhr, zögerte für ein paar Sekunden und sagte ja, natürlich. Unmöglich eine Bitte abzuschlagen, die mit so viel Charme vorgetragen wurde und einen solchen Glanz in den blauen Augen, wie ich noch nie gesehen hatte. Außerdem – die Eitelkeit, ja ja. Erkannt zu werden von einer Unbekannten und unter solchen Umständen, die Anziehung solch heller Augen und der fast perfekten Gesichtszüge, immerhin sommersprossenbesät, und die Hände, sanfter als eine Melodie von Schubert oder Debussy … Undenkbar, nein zu sagen.
So nahmen wir Platz draußen an der Cafeteria und ich bestellte zwei Becher Eiskaffee, dann gab ich ihr zu verstehen, bereit zu sein, falls ein gewöhnlicher Sterblicher aus den Tropen einer germanischen Blondine gegenüber jemals vorbereitet sein kann, ohne den Aplomb zu verlieren und ein Minimum an Selbstkontrolle, umso mehr wenn man auf weiß Gott welche Fragen antworten muss.