Zu jener Zeit fing ich an zu träumen und denken, hm, dal dire al fare, vero? … Etwas später lernte
ich im italienischen Viertel von Brás eine echte nonna Garofalo [Giannina, wenn ich mich recht
erinnere, ja natürlich erinnere ich mich], die nie müde wurde zu wiederholen, Figliolo, ma senti,
mi raccomando … su, via, dai, e non dimenticare mai, mettila nei cornetti, quì nei cornetti, capisci! Klar, meinte sie die Stimme. Der einzige Tipp für Stimmtechnik, den ich behielt. Die Anweisung,
die Stimme hier oben zu platzieren nei cornetti, also irgendwo hinter die Nasenhöhlen, machte
mich etwas stutzig, aber schließlich …
Dann kam Maura [Moreira, aus “Minas” wie ich], die beste und schönste Mezzosopran- bzw. Altstimme, die ich jemals gehört habe, hoch gefragt in Wien, München, Köln usw. Komm nach Deutschland, Liebster, ich werde gerne helfen, dir den Weg zu ebnen. Meine Begeisterung ging
bald in Euphorie über.
Nun war Aldo Baldin dran: in Frankfurt ist ein toller Gesangslehrer, komm mit, ich kann dich dort
empfehlen, du singst ihm vor und kommst in die Musikhochschule. Gott, wie oft habe ich es bereut. Damals. Es mag Schicksal im Spiel gewesen sein, oder auch nur reiner Zufall. Der Teufel.
Eine harte Zeit ständiges Kämpfen mit Sprache und Lebensart hierzulande, mit dem Essen wie mit dem Klima, aber auch eine Zeit voll Freude und Überraschungen, die Entdeckung einer neuen Welt, unerwartete Möglichkeiten, Freundschaften, verschiedenste Nationalitäten, neue Wege, Landschaften, sehr viel “saudades” (Heimweh) und die feste Entschlossenheit zu siegen.
Schließlich ging ich nach Frankfurt, wo nicht der erwähnte Gesangslehrer, eine echte Katastrophe, sondern eine Frau, die perfekteste Sängerin und die wundervollste Person, die ich gekannt habe, mich rettete.
Nicht nur rettete sie mir Herz und Seele vor dem Abgrund, in dem ich mich befand, sondern zeigte mir auch die wahre Bedeutung des Singens, die Würde des Gesangs als Kunst.
Ihr schulde ich das Wunder, nach bittersten Erfahrungen, Enttäuschungen und einem traumatischen Unfall in der Nähe von Göttingen, nicht untergangen zu sein in weiß Gott welche Strudel von Frustration und Verzweiflung.
Ihr außerordentliches Talent und ihre ansteckende Spontaneität, ihre tiefe Zuneigung und persönliche Hingabe, ihre Stimme, ihr Lächeln und ihre Gegenwart waren meine Erlösung.
Ihr furchtbarer frühzeitiger Tod schmerzt noch heute bitter und tief.
Eine unerfüllte zärtliche Liebe. R.I.P. wo immer sie sein mag.
-4ever, J.A.A.